An(ge)dacht für Juni 2023
Wunderbare Werke
Psalm 139,14
Ein Blick über den Gartenzaun verrät: hier wurde gute Arbeit geleistet. Alles grünt und wächst. Die Nutzpflanzen spießen, Unkraut ist nicht zu sehen. Hier wurde etwas richtig gut gemacht. Ein älterer Herr durchwandert ruhigen Schrittes seinen ca. 400 qm großen Garten und würdigt diese starke landwirtschaftliche Leistung mit dem für ihn bestmöglichen Lob: „Kannste nicht meckern.“
Wenn etwas richtig gut gemacht wurde, ist die Sprache der Bibel viel poetischer. Von wunderbaren Werken ist dann die Rede. Gemeint sind Dinge, die durch eine höhere Macht geworden sind. Wunderbar ist Gottes Schöpfung. Alles, was wächst und grünt, verweist auf eine Welt, die nicht menschengemacht ist. Für mich ist die Natur ein Rauschen des Schöpferatems. Dieses sanfte Säuseln des uralten „Es werde“ sorgt in Wäldern, auf Feldern und in Gärten dafür, dass ich mich wohlfühle. Nicht nur meine Augen können sich am gewachsenen Grün sattsehen, es ist auch geistige Nahrung für meine Seele. Nicht umsonst sind einige der schönsten und beliebtesten Kirchenlieder Lobgesänge der erfahrbaren Natur. „Himmel, Erde, Luft und Meer zeugen von des Schöpfers Ehr...“ dichtete beispielsweise Joachim Neander.
Die Erfahrung der Naturverbundenheit macht uns Menschen klar: ich bin ein Teil der Schöpfung. Wir Menschen sind Geschöpfe. Wir sind über die Schöpfung mit dem Schöpfer verbunden.
Der Psalmbeter des 139. Psalms bringt diese Erkenntnis voller Dankbarkeit auf den Punkt: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ (Psalm 139,14)
Ist nun ‚wunderbar gemacht‘ nur ein Satz für Junge, Gesunde und Fitte? Was ist mit Menschen, die mit Einschränkungen irgendwelcher Art leben müssen? Sind die nicht wunderbar gemacht? Hat der Schöpfer sich bei denen vertan? Beide Seiten kennt jeder, ob jung oder alt: einerseits will ich voll Energie das Leben ausschöpfen und andererseits komme ich an die eigenen Grenzen. Allen körperlichen und geistigen Unzulänglichkeiten zum Trotz, spricht der Beter diesen Satz. Falten, Hüftgold, Vergesslichkeit, Krankheit und Alter sind sicher klare Realitäten. Aber David ist und bleibt dankbar, trotz allem und in allem.
Kann sein, dass wir immer wieder mal einiges beiseiteschieben müssen, bis wir das sehen können, wie schön das Ebenbild Gottes ist, das wir sind. Vielleicht ist unser Blick getrübt vom Vergleichen mit anderen oder mit angeblich tollen Idealbildern der Werbung oder der Kinoleinwand.
Aber wie auch immer: es gilt. Du bist ein wunderbar gemachtes Geschöpf Gottes – Alter und Krankheit und auch der Tod gehören zur Schöpfung dazu und sind keine Pannen. Wir alle sind ungefragt geboren worden. Wir alle haben vorbehaltlos das Geschenk des Lebens bekommen.
Wer so spricht wie der Psalmist, ahnt: mein Leben liegt in Gottes Hand für Zeit und Ewigkeit.
Und jeder Tag ist ein wundersames Geschenk.
Weil Gott mich meint und anschaut, wie ich bin – darum bin ich wunderbar. Das macht mir der 139. Psalm immer wieder neu klar. Ein Blick in den Spiegel mit den Augen des 139. Psalms verrät auch: hier wurde gute Arbeit geleistet. „Kannste nicht meckern.“
Es grüßt euch herzlich Andreas Regin